"Frauen in der Geschichte der Gartenkultur"
"Frauen in der Geschichte der Gartenkultur – Ja, gibt‘s denn da so viele?" Diese vor 20 Jahren noch oft gehörte Frage wird den Netzwerkerinnen heute nicht mehr gestellt. Forschungsergebnisse, Veröffentlichungen und die im Netzwerk praktizierte Schwarmintelligenz haben dazu beigetragen, das Wirken von Frauen in der Gartenkultur sichtbarer zu machen und in der Öffentlichkeit zu verankern. Denn auch auf das Wissen über Frauen in der Geschichte der Gartenkultur trifft zu, was die Philosophin Edith Stein ganz schlicht ausdrückte: "Je mehr man weiß, umso mehr erkennt man, wie wenig man weiß."
Podium für Biografien und Forschungsergebnisse
Seit Gründung 1999 widmet sich das Netzwerk den bis dato wenig beachteten Aspekten der Frauengeschichtsforschung in der Gartenkultur. Als transdisziplinär agierende Initiative beleuchtet das Netzwerk bemerkenswerte Best-Praxis-Projekte, Erfahrungsschätze, Forschungsvorhaben und Biografien. Der Blickwinkel ist dabei nicht allein historisch. Gegenwartsbezogene neue Formen der gesellschaftlichen Teilhabe sind ebenso wie der Diskurs über Methodiken oder neue grüne Berufsbilder von Interesse. Um die 300 Mitglieder in den deutschsprachigen Ländern, Skandinavien, Israel und den Benelux-Ländern sind angetreten, um Geschlechterrollen, Rollenklischees, einseitige Forschungsfragen und Frauenperspektiven zu hinterfragen und Geschlechtergerechtigkeit samt Frauenperspektiven voranzutreiben.
Seit 1999 treffen sich einmal im Jahr rund 50 Fachfrauen und einige Fachmänner aus Wissenschaft und Praxis und fördern den interdisziplinären Austausch, besonders zwischen den grünen gestaltenden Disziplinen, etwa der Landschaftsarchitektur mit den Kunst- und Kulturwissenschaften. Fachleute vieler anderer Disziplinen ergänzen das Netzwerk.
Eine Qualität der jährlichen Netzwerktreffen liegt im hierarchiefreien Austausch. Berufliche Leistungen werden selten losgelöst von Biografie und Persönlichkeit betrachtet. Die jährliche Tagung im September stellt das wesentliche Forum dar: In Vorträgen, Werkstattberichten und auf Exkursion werden – seit 2003 jeweils unter einem Rahmenthema – entdeckte Frauenpersönlichkeiten und ihr gartenkulturelles Wirken vorgestellt und Gartenthemen aus der Geschlechterperspektive betrachtet.
Entwicklung
In 25 Jahren ist das Netzwerk zu einem locker assoziierten, offenen Kreis von rund 300 Personen angewachsen. Hervorgegangen ist es aus einem Arbeitskreis, der Ende der 1990er Jahre von Gerlinde Volland, Kunsthistorikerin an der Universität Bielefeld gemeinsam mit Roswitha Kirsch-Stracke und Petra Widmer, wissenschaftliche Mitarbeiterinnen am damaligen Fachbereich Landschaftsarchitektur und Umweltentwicklung der Universität Hannover, gegründet wurde.
Bewusst nicht in Vereinsstrukturen organisiert, können Interessierte die Initiative ergreifen und die jährliche Tagung in ihre Region tragen. Viele der Tagungsorte schreiben Landschaftsgeschichte neu und spiegeln, wie sich die innovativen Leistungen von Frauen auf die gesellschaftliche Entwicklung auswirkten. Das Netzwerk bleibt neugierig auf weitere zu entdeckende Biografien und interessierte Fachfrauen sind herzlich eingeladen an Tagungen teilzunehmen und – selbst Tagungen auszurichten!
Ergebnisse
23 Tagungen mit 120 Vorträgen dokumentieren einen reichhaltigen Fundus an Erfolgsgeschichten, Lebenswegen, Schicksalen, Role-Models und Pionierinnen in Landbau, Naturschutz, Lehre, Gesetzgebung, Gartenkunst und Landschaftsarchitektur. Die bisher auf den Tagungen des Netzwerks präsentierten Forschungen lassen sich in fünf Gruppen gliedern:
- Den größten Teil nehmen Einzelbiografien ein. Vorgestellt wurden adelige Initiatorinnen und Förderinnen der Gartenkultur wie z. B. Kurfürstin Sophie von Hannover (1630-1714) und Landgräfin Elisabeth von Hessen-Homburg (1770-1840), Landwirtschaftsreformerinnen wie Helene Charlotte Frau von Friedland (1754-1803) und ihre Tochter Henriette Charlotte (1772-1848). Künstlerinnen wie Dorothea Maetzel-Johannsen (1886-1930) aus Hamburg, Hannah Höch (1889-1978) aus Berlin und die Gartenbuchillustratorin Johanna Beckmann (1968-1941). Schriftstellerinnen ganz unterschiedlicher Genres wie Henriette Davidis (1801-1876), Marie Luise Gothein (1863-1931), Alma de L'Aigle (1889-1959) und Gertrud Kolmar (1894-1943). Gärtnerinnen wie die in Hamburg tätige Elsa Hoffa (1885-1964) und die Iriszüchterin Helen Gräfin Zeppelin aus Sulzburg, Forscherinnen im Gartenbau wie die erste Ordinaria in Deutschland, Prof. Margarete von Wrangell (1876-1932), aber auch Martha Künzel, biologisch-dynamische Pflanzenzüchterin im KZ Dachau. Zahlreiche Architektinnen sowie Garten- und Landschaftsgestalterinnen, etwa Maria Teresa Parpagliolo Shephard (1903-1974), Herta Hammerbacher (1900-1985) und Lucy Hillebrand (1906-1997).
- In Paar-Biografien wurden der Anteil der Einzelpersonen an den gemeinsamen Werken und die unterschiedlichen Arbeitsweisen thematisiert, so bei Gustav und Rose Wörner, einem der bedeutendsten Landschaftsarchitektenpaar des 20. Jahrhunderts in Deutschland. Bei Hermann (1785 -1871) und Lucie von Pückler-Muskau (1776-1854) konnte dem bekannten Akteur die heimliche Hauptakteurin gegenüber gestellt werden.
- Gruppenbezogene Untersuchungen befassten sich beispielsweise mit den Gärten der Konventualinnen in den Lüneburger Klöstern, mit den Fürstinnen und ihren Gärten im Markgrafentum Ansbach, mit der weiblichen ländlichen Existenz unter brandenburgischer Gutsherrschaft, aber auch mit Orientalischen Gärten im Spiegel der Reiseberichte von Frauen. Gartenfrauen in staatlichen Gärten um 1900 in Dresden wurden vorgestellt, ebenso jüdische Gartenarchitektinnen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Österreich wie auch Pionierinnen unter den Zionisten, im ökologischen Landbau, im Waldbau oder im Naturschutz. Gegenwartsbezogene Vorträge behandelten den Beitrag von Frauen in den Gemeinschaftsgärten der Großstädte und in den Internationalen Gärten oder den zunehmenden Einfluss von Fachfrauen in der Verwaltung.
- Ein großes Anliegen der Organisatorinnen und Referierenden ist stets, den Anteil von Frauen an der Gartenkultur nicht nur zu vermuten oder zu behaupten, sondern ihn soweit wie möglich zu belegen. So gehören Fragen der Methodik immer wieder zu den Tagungsthemen.
- Weitere Vorträge behandelten unter anderem Rollenklischees und Emanzipation in der Gartenarchitektur und die Wege zur Weitergabe von Gartenwissen, Spuren von Frauenwirken in historischen Kulturlandschaften, den Wandel der Beschäftigung von Frauen in der öffentlichen Garten- und Friedhofsverwaltung und – gegenwartsbezogen – neue grüne Berufsbilder und Qualifizierungen wie die Ausbildung zur Kräuterpädagogin.
Nachzulesen sind viele Tagungsbeiträge in eigenen Tagungsbänden, in Fachzeitschriften wie "Die Gartenkunst", "Stadt und Grün", "Zoll+" oder als Kurzbeiträge im Internet:
www.gartenlinksammlung.de/netzwerk_frauen.htm.
Die bisherigen Tagungen des Netzwerks "Frauen in der Geschichte der Gartenkultur"
- Bielefeld 1999
- Hannover 2000
- Kassel 2002
- Frauen und Hortikultur, Göttingen 2003
- Frauen und Blumen, Steinfurth in Bad Nauheim 2004
- KunstGartenKunst, Gießen 2005
- WasserOrte – Spiegelungen, Hamburg 2006
- Rückzug und Aufbruch – Frauen und ihre Gärten in der Großstadt, Berlin 2007
- Kritische Betrachtung der Quellenlage: Zum Anteil von Frauen an der Gartenkultur: vermutet, behauptet, belegbar?, Dresden 2008
- Ländliche Gärten und ihre Meisterinnen, Sulzbürg/Oberpfalz 2009
- Neuland unterm Pflug – das gartenkulturelle Wirken von Frauen im Ostseeraum, Stralsund 2010
- Der Blick in die Landschaft, Hannover 2011
- Spurensuche in der Mark, Potsdam 2012
- Urbanes Gärtnern von und mit Frauen, Wien 2013
- Pflanzenproduktion aus Frauenhand – Frauen in Praxis, Lehre und Forschung des Gartenbaus und der Pflanzenzucht, Erfurt 2014
- Lein, Wein und mehr – ein Spaziergang durch 2000 Jahre Landschaftskultur, Trier 2015
- Fachfrauen und ihre Beiträge zur qualitätsvollen Gestaltung des öffentlichen Freiraums, Zürich 2016
- Markgräfinnen und Gräfinnen in Franken – starke Frauen gestalten, Schloss Dennenlohe 2017
- Gärten, Landschaft und Gesundheit, Bad Iburg 2018
- Freiräume – Frauenräume? Freiraumentwicklung in der Metropole Hamburg, 2019
- Grünes Wissen wachsen lassen. In Vorbereitung: Hannover 2024
[Geplant und leider ausgefallen: Frauen in der Frankfurter Gartenkultur – Es gibt nicht nur die Merian ..., Frankfurt am Main 2020 und 2021]